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Sommerwind


Ich stehe am Strand und gucke aufs Meer. Der Wind wirbelt meine Haare durcheinander. Die Nase wird kalt, ein Tropfen bildet sich an der Nasenspitze. Den Kopf frei pusten lassen. Die frische Luft tief einatmen. Alles neu sortieren.


Langsam gehe ich am Strand entlang – Richtung Norden. Der Wind kommt mir entgegen. Mein Atem wird tiefer. Meine Schritte werden langsamer. Der Wind rüttelt an mir. Mein Körper beginnt zu kribbeln. Schritt für Schritt gehe ich– um mich herum der Wind, das Meer und der Sand.

Irgendwann fühlt es sich in meinem Kopf so an, als wäre alles durchgeschüttelt. Die Gedanken verlassen ihre Plätze und fliegen durcheinander. Alles ist in Bewegung. Mich dem Wind hingeben, die Gedanken fliegen lassen – das tut gut.

Es braucht Zeit, bis sich alles neu ordnen kann. Es braucht Geduld, bis alles einen neuen Platz findet. Welche Gedanken werde ich aussortieren? Welche Sorgen stammen aus einer anderen Zeit?

Der Wind macht es möglich. Er rüttelt, er schüttelt, er wirbelt alles durcheinander. Der Wind bewegt mich, trägt mich, stellt sich Festgefahrenem entgegen.

Der Wind spielt auch in den Geschichten der Bibel eine große Rolle und auch dort bringt er oft etwas in Bewegung.

Dabei sind die Grenzen fließend zwischen Wind, dem natürlichen Phänomen, und dem Geist Gottes als Lebensatem und bewegte Kraft, die Neues schafft.

Schon in der Schöpfungsgeschichte ist vom Geist Gottes die Rede, der über dem Wasser schwebt.

„Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.“ (Genesis 1,2)

Ruach heißt das hebräische Wort. Es ist feminin und bedeutet zugleich Wind, Windhauch, Energie, Lebenskraft, Atem und Geist. Ein weiblicher Anteil Gottes. Die Ruach Gottes schwebte über den Wassern, noch bevor es eine Ordnung gab, noch bevor es eine Struktur gab, war die Ruach schon da. Die Ruach ist dabei, als die Welt entsteht. Als Geist, der wachsen lässt. Als Lebenskraft, die Neues entstehen lässt. Als Atem, der beflügelt. Die Ruach – Energie, die dabei ist, wenn aus dem Chaos eine neue Ordnung wird.

Von dieser Ruach sind alle Lebewesen, die atmen, berührt, belebt, beschenkt. Diese Leben ermöglichende Kraft finde ich beim Spaziergang am Meer, am See, in den Bergen und auch einfach morgens auf dem Fahrrad zur Arbeit.

Sie ist die Kraft , die das Chaos hält und eine neue Ordnung schafft.

– Miriam Haseleu