Ihr findet uns auch auf

Die Flut, das Klima und wir

Apokalyptische Bilder waren das im Juli. Nicht von irgendwo weit weg, sondern hier aus NRW, teilwiese auch aus Köln, und aus Ahrdorf in der Eifel, wo unser Tagungshaus liegt.

Wassermassen, die alles mit sich reißen, Keller überfluten, Ortschaften von der Außenwelt abschneiden und Häuser zum Einsturz bringen. Noch nie gab es ein solches verheerendes Hochwasser in unserer Region und nach wie vor ringen viele Menschen um ihre Existenz. Das Wasser in bedrohlicher, ja lebensgefährlicher Form hat auf erschreckende Weise unübersehbar gemacht, dass der Klimawandel längst geschehen ist. Extreme Wetterphänomene werden in den nächsten Jahren zunehmen. Sie sind hervorgerufen durch unsere Umgangsweise mit der Natur.

Jetzt ist unsere letzte Chance, dem noch etwas entgegen zu setzen. Es braucht Klimagerechtigkeit. Dieser Begriff und das dahinter stehende Konzept haben im vergangenen Jahr an Bedeutung gewonnen. Gesamtgesellschaftlich und auch in der evangelischen Kirche in Köln. Unser Kirchenkreis hat auf der Synode im Sommer konkrete Schritte beschlossen, wie wir als evangelische Gemeinden unseren Beitrag dazu leisten wollen.
Das Konzept „Klimagerechtigkeit“ betrachtet den Klimawandel nicht nur als Umweltproblem, sondern auch als eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Denn bestimmte Bevölkerungsgruppen sind besonders von den Folgen betroffen, während sie kaum zum Klimawandel beigetragen haben. Die reichen Industrieländer sind hauptverantwortlich für die steigende Konzentration von klimaschädlichen Gasen in der Erdatmosphäre. Deshalb ist es vor allem ihre Aufgabe die Emissionen zu senken und die ärmeren Länder bei der Bewältigung der Klimafolgen zu unterstützen. Hier vor Ort bedeutet die Frage nach Klimagerechtigkeit zum Beispiel in Bezug auf umweltbelastendes Autofahren von Pendler:innen den Gesamtkontext in den Blick zu nehmen: Oft sind es Menschen mit geringem Einkommen, die in weiten Entfernungen von ihren Arbeitsplätzen wohnen, da innerstädtische Wohnungen zu teuer sind. Durch eine Erhöhung der Benzinpreise sind sie dann doppelt gestraft, ohne dass das eigentliche Problem gelöst würde.

In der Bibel, im Buch des Propheten Jesaja heißt es: „Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser, und ihr, die ihr kein Geld habt! Los, kauft und esst! Los, kauft ohne Geld und ohne Preis Wein und Milch!“ (Jes 55,1). Wasser ist Lebensgrundlage für Natur und Menschen – solange es nicht zu reißenden Strömen wird. Wir sind auf Wasser angewiesen, brauchen es zum Leben und ebenso sind wir darauf angewiesen, dass das Wasser nicht überhandnimmt, nicht seine zerstörerische Kraft entfaltet. Sauberes Wasser und Nahrung, aber auch eine intakte Atmosphäre und eben der Schutz vor Überflutungen und anderen gefährlichen Wetterextremen sind Menschenrechte. Das muss für jeden und jede zugänglich sein. Ohne Bedingungen.

Es ist eine Zusage Gottes, die der Prophet hier formuliert. Ein Versprechen Gottes, das bedeutet: So ist die Schöpfung zu verstehen. Die Schöpfung, die Quellen hervorsprudeln lässt aus Felsen. Die Schöpfung, die mit einem wunderbaren Gleichgewicht von Sonne und Regen angelegt ist, in dem Wasser Leben ermöglicht und immer wieder neu wachsen lässt.
Diese Schöpfung ist für alle da. Diese Grundzusage Gottes hat eine Bedeutung für unseren Umgang miteinander und mit der Schöpfung. Die biblischen Propheten sind höchst politisch. Sie sprechen in die Gegenwart ihrer Zeit hinein. Und in die Gegenwart anderer Zeiten, auch unserer Zeit. Prophetisch reden, das heißt einen Finger in die Wunde legen, das aufzeigen, was schief läuft und wo Gottes Lebenswille für alle Menschen und für die gesamte Schöpfung verletzt wird. Es ist höchste Zeit, danach zu handeln. Und das heißt auch: Alle brauchen den gleichen Zugang zu effizientem Handeln im Klimaschutz. Klimagerechtigkeit bedeutet, schnelle und wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel und darin eine Stärkung der sozialen Gerechtigkeit.

An vielen Stellen ist das erst einmal unbequem. Wo finden wir die Kraft dazu? Wie kommen wir endlich in die Entschlossenheit, die es braucht?


Auch in Psalm 36 ist das Wasser ein Symbol des Lebens, das Gott in dieser Welt ermöglicht: „Du, Gott, tränkst uns mit Wonne wie mit einem Strom. Bei dir ist die Quelle des Lebens.“ (Ps 36,10)


Ich stelle mir eine Quelle vor, aus der nicht nur Wasser, sondern das Leben selbst hervorsprudelt. Kräftig und lebendig. Die Quelle, aus der alles Lebendige kommt. Ich spüre, welch eine Kraft in dieser Quelle steckt, wenn alles grünt, blüht und Früchte hervorbringt. Ich spüre Gottes Lust an der Schöpfung und der Vielfalt der Menschen und der Natur. Ich träume von dieser Quelle. Dass sie uns belebt und erfrischt und uns Kraft und Phantasie und Konsequenz schenkt, auf dem Weg zu echter Klimagerechtigkeit.

In unserer Gemeinde haben wir dieses Jahr eine Klima-AG gegründet, mit der wir uns nun regelmäßig treffen und gemeinsam entwickeln, wie wir als Gemeinde auf diesem Weg vorankommen. Die nächsten Schritte sind schon klar und wurden vom Presbyterium als Leitungsgremium beschlossen. Einige Beispiele: Wir lassen von Expert:innen prüfen, wie wir unsere Gebäude energieeffizienter machen können und ob und wo die Anschaffung von Photovoltaikanlagen möglich und sinnvoll ist. Wir werden einen Kräutergarten im Kirchgarten anlegen und, wenn möglich, noch mehr Bienen ein Zuhause dort geben. Wir werden Schulungen und Angebote zum Thema für Kinder, Jugendliche und Erwachsene organisieren. Wir stellen für unsere Gemeindeveranstaltungen auf vegetarisches Essen um. Viele andere Ideen sind noch im Fluss und entwickeln sich. Wir freuen uns über alle, die dabei mitdenken und mitgestalten möchten.

– Miriam Haseleu