Vieles, was wir mit Solidarität verbinden, geht gerade nicht: Fridays for Future, Café International, die Türen öffnen und alle einladen, Gottesdienste feiern, Menschen besuchen, uns umarmen und die Hand reichen.Welche Ausdrucksform von Solidarität finden wir in einer Zeit, die echt komisch ist?
Komisch, dass fast alles ausfällt, was unser Leben ausmacht: Die Arbeit mit Anderen, Schule, Kindertagesstätten, die lit.Cologne, Konzerte, Kino, Theater, Essen gehen, Treffen mit Freundinnen und Freunden. Und auch unsere Gottesdienste.
Wen treffe ich in diesen Zeiten noch regelmäßig?
Unsere Planungen werden auf den Kopf gestellt. Unsere Sicherheiten werden in Frage gestellt. Unsere Beziehungen verändern sich.
Corona verlangt krasse Maßnahmen. Wie bleiben wir in Verbindung, ohne uns zu sehen?
Solidarität spüren, sie verstehen und mit ihr klug handeln, das ist wahrscheinlich das, was wir tun können in diesen Tagen.
Wenn die Angst kommt, dann wirkt sie manchmal lähmend. Angst kann überfordern. Die Angst kann aber auch eine Ressource sein. Sie erinnert uns daran, dass das Leben unverfügbar ist. Dass das Leben eigene Wege geht. Dass wir Vieles nicht planen können. Wenn wir die Angst für uns nutzen, werden wir klug. Denn sie bringt uns bei, dass wir endlich und begrenzt sind. Dass wir nur für heute das Beste tun können und morgen neu überlegen müssen. Die Angst erinnert uns daran, im Moment zu leben, und daran, was wirklich wichtig ist.
Die Angst vor dem Virus eint uns. Egal ob Mann oder Frau, egal ob schwarz oder weiß, egal ob mit oder ohne Aufenthaltstitel, das Virus unterscheidet nicht. Das Virus steigt nicht aus dem Zug, wenn eine Grenze passiert wird. Somit sind wir alle gefragt. Als Menschen. Füreinander zu denken und miteinander zu handeln. Bleiben wir also zu Hause oder gehen an die Sonne und halten Abstand.
Jage die Ängste fort
und die Angst vor den Ängsten.
[…]
Sage nicht mein.
Es ist dir alles geliehen.
Lebe auf Zeit und sieh,
wie wenig du brauchst.
Es ist wahr, was sie sagen:
Was kommen muss, kommt.
Geh dem Leid nicht entgegen.
Und ist es da,
sieh ihm still ins Gesicht.
Es ist vergänglich wie Glück.
[…]
Zerreiß deine Pläne. Sei klug
und halte dich an Wunder.
[…]
Jage die Ängste fort
und die Angst vor den Ängsten.
Mascha Kaléko wandelt die Angst in Erkenntnisse. Sie öffnet uns die Tür für die Liebe zur Endlichkeit und die Aufmerksamkeit für die Details.
Welche sind das heute, an diesem Sonntag in Köln, an dem so langsam aber sicher klar wird: wir verändern unsere Routinen und unser Alltag setzt aus?
Da sind Dinge, die fehlen. Und da sind die Fragen: Bekomme ich das Virus? Wie schwer wird die Krankheit verlaufen? Wer wird noch betroffen sein? Und wie lange wird es unser Leben beeinträchtigen?
„Fürchtet euch nicht.“ heißt es in der Bibel immer wieder. Immer dann, wenn Gott uns begegnet, heißt es: „Fürchtet euch nicht.“ Der Satz erinnert uns daran, dass Angst zu unserem Leben dazu gehört, und sagt uns zugleich, dass sie nicht das letzte Wort hat. Die Angst hilft uns klug zu werden und angemessen zu handeln. Das Leben auszukosten, zu gestalten und, so gut wir können, zu schützen. Und so wie die Bedrohung durch das Virus uns alle gleichmacht, so gilt es auch den Schutz eines jeden Lebens gleichzustellen.
Das gilt für uns und unsere Liebsten, für unsere Nachbarinnen und Nachbarn, das gilt für die älteren Menschen, das gilt für die mit einem schwachen Immunsystem, das gilt für jeden Geflüchteten auf dem Mittelmeer und in den griechischen Lagern. Die Angst vor dem Virus birgt die Gefahr, sich mit ausgrenzenden Gedankengängen zu verbinden. Unsere Aufgabe ist es nun, regional verantwortlich zu handeln und global solidarisch zu sein. Beides ist unsere Aufgabe und beides gleichzeitig zu denken, zu fühlen und zu tun, ist herausfordernd. Ich wünsche uns dazu genug digitale Vernetzung, Liebe in den Herzen, Kraft für die Kommunikation und Besonnenheit bei allen Entscheidungen.
– Miriam Haseleu